Mitteilungsvorlage - MV/2021/053

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Beratungsfolge

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Begründung der Verwaltungsempfehlung

Um die Anfrage der Fraktion des Ortsverbands Wedel der Partei „Die Linke“ aus dem Planungsausschuss vom 01.06.2021 zu beantworten, gilt es zunächst einmal, die unterschiedlichen rechtlichen Ansätze, Grundlagen und Kostenbeteiligungsmodelle für den pflichtigen Ausgleichsbetrag der Grundstücks- und Wohnungseigentümer*innen in Sanierungsgebieten nach § 154 BauGB und die freiwillige Infrastrukturkostenbeteiligung nach § 11 Abs. 1 S. 2 Ziff. 3 BauGB darzustellen.

 

 

  1. Überblick

 

Die Beteiligung von Planungsbegünstigten an den Infrastrukturkosten und die Erhebung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge beruhen auf zwei rechtlich unterschiedlichen Grundlagen, die in diesem Abschnitt zusammenfassend dargestellt werden. Im zweiten und dritten Abschnitt erfolgt anschließend eine ausführlichere Darstellung.

 

Gemäß § 11 Abs. 1 S. 2 Ziff. 3 BauGB kann die Übernahme von Kosten oder sonstigen Aufwendungen, die der Gemeinde für städtebauliche Maßnahmen entstehen oder entstanden sind, die Voraussetzung oder Folge des geplanten Vorhabens sind, Gegenstand eines städtebaulichen Vertrags (hier: Folgekostenvertrag) sein.

 

Es handelt sich bei der Beteiligung der Planungsbegünstigten (in der Regel Investor*innen) an den Kosten oder sonstigen Aufwendungen der Stadt nicht um Abgaben im öffentlich-rechtlichen Sinne, sondern um eine Folgekostenbeteiligung. Die Vereinbarung der anteiligen Übernahme dieser Folgekosten erfolgt im Rahmen eines städtebaulichen Vertrags, der in diesem Zusammenhang als Folgekostenvertrag bezeichnet wird.

 

Folgekostenverträge kommen in Betracht, soweit nicht förmliche Verfahren der Bodenordnung (§§ 45 ff. BauGB), der städtebaulichen Sanierung (§§ 136 ff. BauGB) oder der städtebaulichen Entwicklung (§§ 165 ff. BauGB) durchgeführt, sondern „freiwillige“ Regelungen getroffen werden (BauGB Kommentar, Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 11 Rn. 158).

 

Städtebauliche Maßnahmen sind als Voraussetzung oder Folge eines Vorhabens anzusehen, wenn eine Gemeinde nachvollziehbar davon ausgehen darf, dass durch die weitere Überplanung von bisher nicht bebauten Grundstücken Investitionskosten für öffentliche Einrichtungen entstehen, die sie zu tragen hätte, und sie im Hinblick auf diese Kosten abwägungsfehlerfrei von einer derartigen Überplanung absehen dürfte (BVerwG, Urteil vom 24. März 2011 – 4 C 11/10 –, BVerwGE 139, 262-272; wie Urteil vom 29. Januar 2009 - BVerwG 4 C 15.07 - BVerwGE 133, 85).

 

§ 11 Abs. 1 S. 2 Ziff. 3 BauGB regelt also die Fälle, in denen z.B. ein*e Investor*in ein Vorhaben verwirklichen will, für dessen Durchführung oder als dessen Folge aber infrastrukturelle Maßnahmen erforderlich sind oder werden, die wiederum Kosten bei der Gemeinde auslösen. § 11 Abs. 1 S. 2 Ziff. 3 BauGB ermöglicht es den Gemeinden, die Planungsbegünstigten an den durch sie ausgelösten Folgekosten zu beteiligen, um so eine finanzielle Entlastung zu erfahren und das Vorhaben überhaupt zu ermöglichen. Anders als in Sanierungsgebieten besteht hier allerdings sowohl für die Stadt als auch für die Investor*innen eine gewisse Freiwilligkeit. Denn zum einen kann die Stadt entscheiden, dass das geplante Vorhaben aufgrund der infrastrukturellen Gegebenheiten nicht durchführbar ist. Zum anderen kann sie die Durchführbarkeit davon abhängig machen, dass der oder die Investor*in sich im Rahmen eines Folgekostenvertrags freiwillig dazu verpflichtet, einen Teil der Folgekosten zu übernehmen. Im Gegenzug kann der oder die Investor*in das geplante Vorhaben realisieren. Ist der oder die Investor*in nicht zur anteiligen Kostenübernahme bereit, so kann er oder sie das geplante Vorhaben eben nicht realisieren.

 

Städtebauliche Sanierungsmaßnahmen werden dagegen nicht durch geplante Vorhaben Einzelner als deren Voraussetzung oder Folge ausgelöst und sind auch nicht auf einzelne Vorhaben oder Grundstücke beschränkt.

 

Eine Sanierungsmaßnahme im Sinne des § 136 ist eine Gesamtmaßnahme, die besonders zur Lösung von städtebaulichen Problemen in Gebieten bestimmt ist, in denen ein qualifizierter städtebaulicher Handlungsbedarf besteht, der aus Gründen des öffentlichen Interesses ein planmäßiges und aufeinander abgestimmtes Vorgehen erfordert, weil in diesen Gebieten nicht nur einzelne, sondern ein Bündel ( = Gesamtmaßnahme) städtebaulicher Maßnahmen erforderlich sind (Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Baugesetzbuch Kommentar, § 136 Rn. 3).

 

In Sanierungsgebieten kommt es im Zuge der Sanierungsmaßnahme daher auch nicht zu zwei voneinander getrennt zu betrachtenden Bodenwertsteigerungen, sondern nur zu einer gesamtheitlichen sanierungsbedingten Bodenwertsteigerung. Auch dies ist wieder darin begründet, dass die einzelnen Handlungen, die im Rahmen der Sanierung zur Behebung der Missstände durchgeführt werden, letztlich als eine Gesamtmaßnahme zu betrachten sind.

 

Die Schaffung oder Änderung von Baurecht im Sanierungsgebiet, wie beispielsweise die Schaffung von Wohnbaurecht wo zuvor Gewerbebaurecht bestand, ist dabei ebenso Teil der sanierungsrechtlichen Gesamtmaßnahme, wie beispielsweise die Schaffung oder der Ausbau sozialer Infrastruktur. Dies folgt bereits aus dem Sinn und Zweck des § 136 BauGB.

 

Im Rahmen der Sanierung behebt die Stadt also im Wege einer Gesamtmaßnahme Missstände, die aufgrund der Entwicklung der Bevölkerungsstruktur und/oder veränderter Bedürfnisse in einem bestimmten Gebiet entstanden sind. Nach Abschluss der Sanierung sind alle Grundstücks- und Wohnungseigentümer*innen in dem Sanierungsgebiet zur Zahlung eines Ausgleichsbetrags verpflichtet.

 

Die Beitragspflichtigen haben dabei keine Wahl, ob sie den Ausgleichsbetrag zahlen wollen oder nicht. Nach Abschluss der Sanierung sind sie hierzu (im Rahmen der gesetzlichen Gegebenheiten) verpflichtet.

 

Als spezialgesetzliche Vorschriften haben die sanierungsrechtlichen Regelungen zur Ausgleichszahlung Vorrang. Die Kostenbeteiligung der Grundstücks- und Wohnungseigentümer*innen im Sanierungsgebiet erfolgt daher nach den Regelungen der §§ 154 ff. BauGB.

 

Die folgende Übersicht soll die Unterschiede zwischen der Beitragspflicht im Sanierungsgebiet und der freiwilligen anteiligen Kostenübernahme im Rahmen eines Folgekostenvertrags noch einmal darstellen:

 

 

Folgekostenvertrag

 

Städtebauliche Sanierungsmaßnahme

  • Freiwillige Kostenübernahme
  • Beitragspflicht

 

  • Betrifft nur Planungsbegünstigte
  • für alle Grundstücks- und Wohnungseigentümer*innen im Sanierungsgebiet

 

  • Bezogen auf einzelne Vorhaben
  • Bezogen auf ein förmlich festgesetztes Sanierungsgebiet; vorhabenunabhängig

 

  • Anteilige Übernahme der Kosten und sonstigen Aufwendungen, die für Maßnahmen anfallen, die Voraussetzung oder Folge des geplanten Vorhabens sind

 

  • Ausgleichsbetrag als Gegenleistung für die sanierungsbedingte Bodenwerterhöhung nach Behebung städtebaulicher Missstände durch die Stadt

 

  • Anteilige Kostenübernahme erfolgt aufgrund vertraglicher Vereinbarung
  • Ausgleichsbetrag wird nach § 154 Abs. 3 S. 1, Abs. 4 BauGB grundsätzlich nach Abschluss der Sanierung durch Verwaltungsakt erhoben

 

Ausnahmen:

-       vorzeitige Ablösung nach § 154 Abs. 3 S. 2 BauGB möglich

 

-       vorzeitige Festsetzung nach § 154 Abs. 3 S. 3 BauGB möglich

 

-       Verlangen der Gemeinde auf Vorauszahlung nach § 154 Abs. 6 BauGB möglich

 

 

  • Kostenbeteiligung unter Berücksichtigung der Angemessenheit nach § 11 Abs. 2 BauGB
  • Ausgleichsbetrag entspricht gemäß § 154 Abs. 1 S. 1 BauGB der durch die Sanierung bedingten Erhöhung des Bodenwerts

 

  • Berechnungsgrundlage: Höhe der Folgekosten

 

  • Berechnungsgrundlage: sanierungsbedingte Bodenwerterhöhung
  • Begrenzung der Kostenbeteiligung in Wedel nach § 11 Abs. 2 BauGB i.V.m. den Grundsätzen der Bodennutzung grds. auf 2/3 der Bodenwertsteigerung

 

  • Ausgleichsbetrag entspricht der Bodenwerterhöhung; Begrenzung nur durch Höhe der für die Sanierung tatsächlich angefallenen Kosten

 

 

  1. Städtebauliche Sanierungsmaßnahme

 

Gemäß § 136 Abs. 1 BauGB werden städtebauliche Sanierungsmaßnahmen in Stadt und Land, deren einheitliche Vorbereitung und Durchführung im öffentlichen Interesse, nach den §§ 136 ff. BauGB vorbereitet und durchgeführt.

 

Städtebauliche Sanierungsmaßnahmen im Sinne des § 136 BauGB sind, wie bereits unter I. dargestellt,  Gesamtmaßnahmen, die gegenüber sonstigen städtebaulichen Maßnahmen (einzelnen Planungen oder Vorhaben) besonders zur Lösung von städtebaulichen Problemen in Gebieten bestimmt sind, in denen ein qualifizierter städtebaulicher Handlungsbedarf besteht, der aus Gründen des öffentlichen Interesses ein planmäßiges und aufeinander abgestimmtes Vorgehen erfordert, weil in diesen Gebieten nicht nur einzelne, sondern ein Bündel städtebaulicher Maßnahmen erforderlich sind (Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Baugesetzbuch Kommentar, § 136 Rn. 3).

 

Die besonderen Aufgaben und Voraussetzungen, die sich bei der Anwendung des städtebaulichen Sanierungsrechts stellen, können also kurzgefasst als die Vorbereitung und Durchführung einer städtebaulichen Gesamtmaßnahme skizziert werden, die folgende Merkmale aufweist:

 

-          Bezug auf ein bestimmtes Gebiet,

 

-          Behebung städtebaulicher Missstände als allgemeines Ziel,

 

-          Ausrichtung auf eine einheitliche Konzeption und Planung,

 

-          langfristige Dauer,

 

-          Bündelung und zielgerichtete Ausrichtung einer Vielzahl zum Teil verschiedenartiger Einzelmaßnahmen und

 

-          gesteigerte Verantwortung der Gemeinde (Ernst/Zinkahn/Bielenberg Baugesetzbuch Kommentar, § 136 Rn. 58).

 

 

Gemäß § 136 Abs. 2 sind städtebauliche Sanierungsmaßnahmen Maßnahmen, durch die ein Gebiet zur Behebung städtebaulicher Missstände wesentlich verbessert oder umgestaltet wird. Die Sanierungsmaßnahmen werden also nicht durch Vorhaben der Grundstücks- oder Wohnungseigentümer*innen oder Investor*innen im Sanierungsgebiet ausgelöst, sondern fallen vielmehr in den Aufgabenbereich der Stadt, für gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse zu sorgen und die nach § 1 Abs. 6 BauGB vorgegebenen Voraussetzungen zu schaffen und zu erhalten.

 

Wann städtebauliche Missstände vorliegen, ist in § 136 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 BauGB erläutert.

 

Städtebauliche Missstände liegen hiernach (§ 136 Abs. 2 Ziff. 1 BauGB) zum Beispiel vor, wenn das Gebiet nach seiner vorhandenen Bebauung oder nach seiner sonstigen Beschaffenheit den allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse (…) nicht entspricht.

 

Bei der Beurteilung, ob in einem städtischen oder ländlichen Gebiet städtebauliche Missstände vorliegen, sind dabei unter anderem beispielsweise die Wohnverhältnisse der in dem Gebiet wohnenden Menschen in Bezug auf die Auswirkungen einer vorhandenen Mischung aus Wohn- und Arbeitsstätten (§ 136 Abs. 3 Ziff. 1. d) BauGB), die Nutzung von bebauten und unbebauten Flächen nach Art, Maß und Zustand (§ 136 Abs. 3 Ziff. 1. e) BauGB) oder die vorhandene Erschließung (§ 136 Abs. 3 Ziff. 1. g) BauGB) zu berücksichtigen.

 

Daneben ist nach § 136 Abs. 3 Ziff. 2 c) BauGB auch die Funktionsfähigkeit des Gebiets unter anderem in Bezug auf die – auch soziale - infrastrukturelle Erschließung des Gebiets, seine Ausstattung mit Grünflächen, Spiel- und Sportplätzen und mit Anlagen des Gemeinbedarfs, insbesondere unter Berücksichtigung der sozialen und kulturellen Aufgaben des Gebiets im Verflechtungsbereich zu berücksichtigen. Gemäß § 136 Abs. 4 S. 1 BauGB dienen städtebauliche Sanierungsmaßnahmen zudem dem Wohl der Allgemeinheit und sollen zum Beispiel nach S. 2 Ziff. 3. BauGB dazu beitragen, dass die Siedlungsstruktur den Erfordernissen an gesunde Lebens- und Arbeitsverhältnisse und der Bevölkerungsentwicklung entspricht.

 

Als Maßnahmen zur Behebung der in § 136 BauGB genannten städtebaulichen Missstände kommen insbesondere in Betracht:

 

-          die Zuführung zu einer den Sanierungszielen und Sanierungszwecken entsprechenden neuen Nutzung, z.B. durch Neubebauung oder Verwendung zu anderen als den vorhandenen baulichen Nutzungen oder als Freiflächen,

 

-          die Bebauung bisher nicht bebauter Flächen,

 

-          die Modernisierung und Instandsetzung von Gebäuden,

 

-          die Umnutzung von Gebäuden und von Flächen,

 

-          die Beseitigung baulicher und sonstiger Anlagen auf einzelnen Grundstücken, aber auch in Teilen des Gebiets, gegebenenfalls auch im gesamten Gebiet,

 

-          Maßnahmen zur Ausstattung eines Gebietes mit den entsprechenden Anlagen und Einrichtungen der – auch sozialen - Infrastruktur sowie der Verbesserung vorhandener Anlagen dieser Art (Ernst/Zinkahn/Bielenberg Baugesetzbuch Kommentar, § 136 Rn. 63).

 

Dabei erfolgen die jeweils erforderlichen Maßnahmen immer im Rahmen einer städtebaulichen Gesamtmaßnahme.

 

Soll also dort, wo zuvor Gewerbe- oder Freiflächen bestanden haben, Wohnraum entstehen, erfolgt die hierzu erforderliche Schaffung entsprechender Baurechte im Rahmen eines Bebauungsplans. Dieser ist jedoch nicht als von der Sanierungsmaßnahme getrennte planerische Tätigkeit anzusehen, sondern vielmehr auch Teil der Vorbereitung und Durchführung der Sanierungsmaßnahme.

 

Dem Erfordernis der Schaffung oder der Verbesserung sozialer Infrastruktur, beispielsweise Kitaplätzen als Ursache oder Folge der Durchführung der städtebaulichen Sanierungsmaßnahme, kann damit Rechnung getragen werden, dass im Sanierungsgebiet, oder gemäß § 142 Abs. 2 BauGB sogar in außerhalb des Sanierungsgebiets liegenden Bereichen, die Plätze nach entsprechender Bedarfsermittlung geschaffen werden. Auch diese Kosten für den Aus- oder Neubau von KiTas oder Schulen werden nach dem üblichen Verfahren nach den sanierungsrechtlichen Vorschriften aus dem BauGB gemeinsam mit allen anderen sanierungsbedingten Kosten der Bodenwertsteigerung im Sanierungsgebiet gegenübergestellt. Es erfolgt also keine Trennung der Kosten.

 

Die Schaffung von Baurecht ist dabei ebenso Teil der Sanierungsmaßnahme wie die Schaffung oder Erweiterung der sozialen Infrastruktur und allen sonstigen im Rahmen der Sanierung durchgeführten planerischen Handlungen.

 

All diese der städtebaulichen Sanierung dienenden Planungshandlungen sind Teil einer Gesamtmaßnahme. Es kommt nach Abschluss der Sanierungsmaßnahme daher auch nur zu einer sanierungsbedingten Bodenwertsteigerung.

 

Diese sanierungsbedingte Bodenwertsteigerung der Grundstücke besteht gemäß § 154 Abs. 2 BauGB aus dem Unterschied zwischen dem Bodenwert, der sich für das Grundstück ergeben würde, wenn eine Sanierung weder beabsichtigt noch durchgeführt worden wäre und dem Bodenwert, der sich für das Grundstück durch die rechtliche und tatsächliche Neuordnung des förmlich festgelegten Sanierungsgebiets ergibt.

 

Nach § 152 BauGB sind im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet die Regelungen der §§ 152 bis 156a BauGB anzuwenden, sofern die Sanierung nicht im vereinfachten Sanierungsverfahren durchgeführt wird. Maßgebend für die Kostenbeteiligung sind also die sanierungsrechtlichen Vorschriften.

 

Die Kosten aller Planungshandlungen und deren Durchführung, die Teil der Gesamtmaßnahme sind, schlagen sich in den abschließenden Sanierungskosten nieder, an denen die Grundstücks- und Wohnungseigentümer*innen nach den Regelungen des § 154 BauGB zu beteiligen sind.

 

Der oder die Grundstücks- oder Wohnungseigentümer*in eines im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet gelegenen Grundstücks hat zur Finanzierung der Sanierung gemäß § 154 Abs. 1 S. 1 BauGB an die Gemeinde einen Ausgleichsbetrag in Geld zu entrichten. Der Ausgleichsbetrag hat der durch die Sanierung bedingten Erhöhung des Bodenwerts des Grundstücks zu entsprechen und wird gemäß § 154 Abs. 3 S. 1 und Abs. 4 BauGB grundsätzlich nach Abschluss der Sanierungsmaßnahme über den Erlass eines Verwaltungsaktes erhoben.

 

Nach § 154 BauGB sollen die Eigentümer*innen, die im Verlauf der Sanierungsmaßnahme ihre Grundstücke behalten oder zum sanierungsbeeinflussten Grundstückswert erworben haben, zu einem Ausgleichsbetrag in Höhe der sanierungsbedingten Bodenwerterhöhung ihrer Grundstücke veranlagt werden (vgl. BauGB Kommentar, Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 154 Rn. 1).

 

Der von den Grundstücks- und Wohnungseigentümer*innen zu zahlende Ausgleichsbetrag bemisst sich also nicht vorrangig nach den Kosten und sonstigen Aufwendungen, die der Gemeinde aufgrund der Sanierungsmaßnahme entstanden sind, sondern anhand der dadurch erzielten Bodenwerterhöhung. Die Sanierungskosten bilden lediglich die Obergrenze des veranschlagten Beteiligungsbeitrags (§ 156 a BauGB). Das bedeutet, dass der Ausgleichsbetrag nicht höher sein darf als die tatsächlich angefallenen Sanierungskosten.

 

Den Grundstücks- bzw. Wohnungseigentümer*innen verbleibt damit – jedenfalls bis zum Weiterverkauf des Grundstücks oder der Eigentumswohnung – nach Erhebung des Ausgleichsbetrags zunächst kein direkter finanzieller Vorteil.

 

 

  1. Folgekostenvertrag

 

Gemäß § 11 Abs. 1 S. 2 Ziff. 3 BauGB kann die Übernahme von Kosten oder sonstigen Aufwendungen, die der Gemeinde für städtebauliche Maßnahmen entstehen oder entstanden sind, die Voraussetzung oder Folge des geplanten Vorhabens sind, Gegenstand eines städtebaulichen Vertrags sein.

 

Diese sogenannten Folgekostenverträge kommen in Betracht, soweit nicht förmliche Verfahren der Bodenordnung (§§ 45 ff. BauGB), der städtebaulichen Sanierung (§§ 136 ff. BauGB) oder der städtebaulichen Entwicklung (§§ 165 ff. BauGB) durchgeführt werden, sondern „freiwillige“ Regelungen zwischen der Gemeinde und den Planungsbegünstigten getroffen werden (BauGB Kommentar, Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 11 Rn. 158).

 

Gegenstand solcher Verträge sind Kosten und sonstige Aufwendungen, die der Gemeinde tatsächlich für Maßnahmen entstanden sind oder entstehen, die Voraussetzung oder Folge des geplanten Vorhabens sind und die der oder die Planungsbegünstigte gegenüber der Gemeinde anteilig übernimmt. Städtebauliche Maßnahmen sind als Voraussetzung oder Folge eines Vorhabens anzusehen, wenn eine Gemeinde nachvollziehbar davon ausgehen darf, dass durch die weitere Überplanung von bisher nicht bebauten Grundstücken Investitionskosten für öffentliche Einrichtungen entstehen, die sie zu tragen hätte, und sie im Hinblick auf diese Kosten abwägungsfehlerfrei von einer derartigen Überplanung absehen dürfte (BVerwG, Urteil vom 24. März 2011 – 4 C 11/10 –, BVerwGE 139, 262-272; wie Urteil vom 29. Januar 2009 - BVerwG 4 C 15.07 - BVerwGE 133, 85). Der Folgekostenbeitrag ist keine Abgabe im öffentlich-rechtlichen Sinne, sondern ein im Rahmen eines Folgekostenvertrags vereinbarter freiwilliger Beitrag, der für Maßnahmen gezahlt werden kann – nicht muss – die die Stadt durchführen müsste, damit der oder die Planungsbegünstigte das Vorhaben realisieren kann oder die als Folge des Vorhabens erforderlich sind bzw. werden.

 

Die Gegenleistung des oder der Planungsbegünstigten bemisst sich dabei nicht anhand einer durch Maßnahmen der Gemeinde geschaffenen Wertsteigerung des Grundstücks, sondern anhand der für die Maßnahme anfallenden Kosten oder sonstigen Aufwendungen. Die dadurch bedingte Wertsteigerung kann lediglich als Orientierung für die Einhaltung des Gebots der Angemessenheit herangezogen werden.

 

§ 11 Abs. 2 BauGB setzt der Höhe der Gegenleistung der oder des Planungsbegünstigten eine Grenze. Die vereinbarten Leistungen müssen hiernach den gesamten Umständen nach angemessen sein.

 

Angemessen ist eine Gegenleistung, wenn sie dem Übermaßverbot, konkret dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, entspricht. Die vom Vertragspartner zu erbringende Leistung muss also in einem angemessenen Verhältnis zur Leistung der Gemeinde und zum Wert des vorhandenen stehen (BauGB Kommentar, Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 11 Rn. 167). Maßgebend ist dabei eine objektive Ausgewogenheit (BauGB Kommentar, Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 11 Rn. 167).

 

Für die Prüfung der Angemessenheit kann als Indikator beispielsweise die Orientierung an der planungs- bzw. maßnahmenbedingten Bodenwertsteigerung herangezogen werden (BauGB Kommentar, Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 11 Rn. 167a). Dies führt in der Praxis leider mitunter zu dem Verständnis, Verträge, die Folgekostenbeiträge zum Inhalt haben, könnten als Instrument der „Bodenwertabschöpfung“ verwendet werden. Dies ist jedoch keineswegs der Fall. Folgekostenverträge dienen vielmehr der anteiligen Übernahme der tatsächlich angefallenen oder anfallenden Kosten.

 

Beim Folgekostenvertrag geht es nicht um die steuerähnliche Abschöpfung von Wertgewinnen, sondern allein um die Finanzierung städtebaulicher Maßnahmen im Sinne eines Aufwendungsersatzes (BVerwG, B. v. 21.6.2005 – 4 B 32.05 – BRS 69 Nr. 214; OVG Lüneburg, Urteil vom 19. Mai 2011 – 1 LC 86/09 –, Rn. 104, juris). § 11 Abs. 1 S. 2 Ziff. 3 BauGB regelt nicht eine Planungswertabgabe (Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB Kommentar, § 11 Rn. 167a). § 11 Abs. 1 S. 2 Ziff. 3 BauGB regelt eine Beteiligung der Planungsbegünstigten an den Kosten oder sonstigen Aufwendungen, die der Gemeinde für städtebauliche Maßnahmen tatsächlich entstehen oder entstanden sind, die Voraussetzung oder Folge des geplanten Vorhabens sind.

 

In rechtlicher Hinsicht kann also ausschließlicher Maßstab für die Höhe des Folgekostenbeitrags die Höhe der Kosten sein, die der Gemeinde tatsächlich entstanden sind. Lediglich für die Beurteilung der Angemessenheit und gegebenenfalls eine Deckelung des Beitrags kann der Bodenwert als objektiver Indikator herangezogen werden (vgl. BauGB Kommentar, Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 11 Rn. 167a).

 

Die Stadt Wedel hat in ihren Grundsätzen der Bodennutzung den Bodenwert als Maßstab für die Bewertung der Angemessenheit von Folgekostenbeiträgen festgelegt, um eine Verwaltungspraxis zu schaffen, die für die Planungsbegünstigten Transparenz schafft und dem Gleichbehandlungsgrundsatz entspricht. Nach den Grundsätzen der Bodennutzung muss den Planungsbegünstigen bei der Berechnung des jeweiligen Kostenbeteiligungsanteils mindestens ein Drittel des planungsbedingten Wertzuwachses der Grundstücke als Investitionsanreiz zur Deckung ihrer individuellen Kosten einschließlich eines angemessenen Anteils für Wagnis und Gewinn verbleiben, um der Angemessenheit Rechnung zu tragen.

 

Dies bedeutet nicht, dass automatisch immer zwei Drittel des Wertzuwachses als Folgekostenbeitrag berechnet werden kann. Denn zu allererst bemessen sich die Beteiligungsanteile nach den Kosten und sonstigen Aufwendungen die der Gemeinde tatsächlich entstanden sind. Sinn und Zweck der Regelungen des § 11 Abs. 1 S. 2 Ziff. 3 BauGB ist nicht eine Bereicherung der Gemeinde. Sinn und Zweck ist vielmehr eine Beteiligung der Planungsbegünstigten an den Kosten für Maßnahmen, die ihre Vorhaben entweder überhaupt erst ermöglichen oder deren Notwendigkeit durch ihre Vorhaben ausgelöst wurde.

 

 

  1. Zusammenfassung / Fazit

 

In Sanierungsgebieten kommt es im Zuge der Sanierungsmaßnahme nicht zu zwei oder mehr voneinander getrennt zu betrachtenden Bodenwertsteigerungen, sondern nur zu einer sanierungsbedingten Bodenwertsteigerung.

 

Als spezialgesetzliche Vorschriften haben die sanierungsrechtlichen Regelungen zur Ausgleichszahlung Vorrang. Die Kostenbeteiligung der Grundstücks- und Wohnungseigentümer*innen im Sanierungsgebiet erfolgt daher nach den Regelungen der §§ 154 ff. BauGB. Um dies zu verdeutlichen, hat die Stadt in Ziffer 5 der Grundsätze der Bodennutzung daher noch einmal formuliert, dass diese nicht auf Sanierungsgebiete anzuwenden sind. Es ist also nicht so, dass der Ausschluss aufgrund der Grundsätze der Bodennutzung erfolgt, sondern diese vielmehr nur die Gesetzeslage wiedergeben. Die Grundsätze der Bodennutzung sind eine von der Stadt entwickelte und vom Rat beschlossene Verwaltungsübung, die auch aufgehoben oder geändert werden könnte. Die Gesetzeslage ändert sich dadurch aber nicht, so dass der Ausschluss der Anwendung der Regelungen über Folgelastenverträge in Sanierungsgebieten auch ohne die Grundsätze der Bodennutzung weiterhin Bestand hätte.

 

Eine zusätzliche bzw. über die in den §§ 154 ff. hinausgehende Kostenbeteiligung für die im Zuge der Sanierungsmaßnahme angefallenen Kosten im Rahmen eines zusätzlichen Folgekostenvertrags ist nicht vorgesehen.

 

Der oder die Eigentümer*in eines im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet gelegenen Grundstücks oder einer Eigentumswohnung hat nach § 154 Abs. 1 S. 1 BauGB zur Finanzierung der Sanierung an die Gemeinde einen Ausgleichsbetrag in Geld zu entrichten, der der durch die Sanierung bedingten Erhöhung des Bodenwerts des Grundstücks entspricht. Miteigentümer*innen haften dabei als Gesamtschuldner*innen; bei Wohnungs- und Teileigentum sind die einzelnen Wohnungs- und Teileigentümer*innen nur entsprechend ihrem Miteigentumsanteil heranzuziehen.

 

Im Gegensatz zu dem Folgekostenbeitrag nach § 11 Abs. 1 S. 2 Ziff. 3 BauGB ist die sanierungsrechtliche Ausgleichszahlung also nicht (bzw. nur durch die tatsächlich für die Sanierungsmaßnahme angefallenen Kosten) gedeckelt. Den Grundstücks- bzw. Wohnungseigentümer*innen verbleibt damit – jedenfalls bis zum Weiterverkauf des Grundstücks oder der Eigentumswohnung – nach Erhebung des Ausgleichsbetrags zunächst kein direkter finanzieller Vorteil.

 

Im Ergebnis führt die Kostenbeteiligung der Sanierungsbegünstigten über die spezialgesetzlichen sanierungsrechtlichen Regelungen im Vergleich zu einer im Rahmen eines Folgekostenvertrags vereinbarten Kostenbeteiligung also weder automatisch zu einem Vorteil für die Beitragspflichtigen noch zu einem Nachteil für die Stadt.

 

Wird die Stadt nach Abschluss der Sanierungsmaßnahme und Aufhebung der Sanierungssatzung und des Sanierungsgebiets planerisch in diesem nunmehr ehemaligen Sanierungsgebiet tätig und erlässt einen neuen oder verändert einen bestehenden Bebauungsplan, finden die Regelungen über städtebauliche Sanierungsgebiete keine Anwendung mehr. In diesem Fall kann selbstverständlich die Regelung des § 11 Abs. 1 S. 2 Ziff. 3 BauGB zum Tragen kommen und können die Planungsbegünstigten im Wege eines Folgekostenvertrags zur anteiligen Kostenübernahme verpflichtet werden. Dann finden auch die Grundsätze der Bodennutzung Anwendung.

 

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Anlagen

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