Mitteilungsvorlage - MV/2020/068

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Beratungsfolge

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Begründung der Verwaltungsempfehlung

  1. Einleitung

 

Die Mitteilungsvorlage basiert auf dem Bericht zur Behebung von Wohnungslosigkeit des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales.[1] Die wichtigsten Ergebnisse in Bezug auf die Situation auf dem Wohnungsmarkt, Zugangsbarrieren zu Wohnraum und möglichen Strategien zur Behebung von Wohnungslosigkeit werden dargestellt und auf die Situation in der Stadt Wedel übertragen.

Die Studie setzte sich aus drei Teiluntersuchungen zusammen. Diese waren:

  • Eine Online Befragung bei 47 ausgewählten kreisfreien Städten, 12 Berliner Bezirken und der Senatsverwaltung, 120 kreisangehörigen Städten und Gemeinden, 39 Kreisen, 235 freien Trägern, der der Wohnungsnotfallhilfe sowie 97 Jobcentern in allen 16 Bundesländern (Rücklauf 75,1%),
  • Vertiefende lokale Fallstudien in zwölf kreisfreien Städten und Kreisen,
  • Interviews mit 31 (ehemals) wohnungslosen Personen, von denen zehn zwischenzeitlich wieder eine Wohnung gefunden hatten.

 

  1. Situation auf dem Wohnungsmarkt

 

„Die Versorgungssituation ist seit 2015 gleichbleibend schlecht. Die Verfügbarkeit von Wohnraum am Wohnungsmarkt ist die größte Lücke im Versorgungssystem. Für Wohnungslose, die zum größten Teil auf Leistungen der Mindestsicherung (nach SGB II oder SGB XII) angewiesen sind, kommt ohnehin nur ein kleiner Teil der Wohnungen zur Anmietung in Frage, die im Rahmen der kommunalen Richtlinien zu den Kosten der Unterkunft als angemessen eingestuft werden. Es herrscht ein eklatanter Mangel an bezahlbaren Kleinwohnungen für Alleinstehende. Nahezu unmöglich ist ebenso die Versorgung größerer und kinderreicher Familien, die insbesondere bei den Geflüchteten mit Wohnraum versorgt werden müssen.“

Die Situation in Wedel ist ähnlich prekär. Der größte Anteil wohnungsloser Menschen in den städtischen Unterkünften sind Einzelpersonen. Diese haben es schwer eine angemessene Wohnung zu finden. Die Unterbringung von Großfamilien, die vorzugsweise in angemieteten Wohnungen untergebracht wurden, ist auch in Wedel ein Problem. Große, kostengünstige Wohnungen zu finden, ist nahezu unmöglich.

 

  1. Zugangsbarrieren zu Wohnraum

 

„In der Online-Befragung wurde ausführlich nach spezifischen Barrieren gefragt, die eine Versorgung von Wohnungslosen mit dauerhaftem Normalwohnraum verhindern. Die meisten Beteiligten benannten als häufige Barrieren das unzureichende Angebot an verfügbaren Kleinwohnungen (75,4%), Mietschulden (74,8%) sowie negative SCHUFA-Auskünfte (71,8%).“

 

Eine beispielhafte Antwort im Rahmen der Umfrage bei den offenen Antwortmöglichkeiten zum Handlungsfeld Dauerhafte Wohnungsversorgung:

 „Die Bewohner unserer Einrichtungen finden auf dem allgemeinen Wohnungsmarkt keine Wohnung. Die Gründe hierfür sind: fehlendes oder unzureichendes Einkommen, negative SCHUFA-Einträge/-bewertung, fehlende Beschäftigung, keine Bürgen, prekäre Beschäftigung, zu geringes Angebot an günstigen Wohnungen. Des Weiteren bekommen die Bewohner trotz Berechtigungsnummer keine Angebote der kommunalen Wohnungsämter, da diese über zu wenige Sozialwohnungen verfügen, die vermittelt werden können. Außerdem agieren viele Wohnungsbaugesellschaften mittlerweile wie private Immobiliengesellschaften.“ (Kreisfreie Stadt, West)

Als extrem schwierig wurde die Versorgung von Wohnungslosen mit offensichtlichen psychischen Erkrankungen eingestuft. Auch die Diskriminierung von Haushalten mit ausländisch klingenden Namen wurde als besondere Barriere benannt.

Die genannten Barrieren sind auch in der Stadt Wedel vorhanden und stellen ein ebenso großes Problem bei der Vermittlung dar. Es kommen mietwidriges Verhalten und Suchtproblematiken hinzu.

Immer wieder erlebt die Mitarbeiterin der Fachstelle Wohnen, das einzelne vorgeschlagene Bewerber Absagen seitens der Vermieter erhalten, weil sie unpünktlich oder alkoholisiert zu Wohnungsbesichtigungen/Interviews erschienen oder benötigte Unterlagen nicht einreichten.

 

  1. Strategien der Wohnraumversorgung

 

„Die Ergebnisse der Online-Befragung zeigen, dass ein Großteil der Befragten über keinerlei spezielle Instrumente/Ressourcen zur Versorgung von wohnungslosen Haushalten mit Normalwohnraum verfügt. Knapp drei Viertel (74,2%) aller kreisangehörigen Gemeinden, 84,2% aller Kreise und 95,1% aller freien Träger mit verwertbaren Antworten gaben an, dass dies für sie gelte. Bei den kreisfreien Städten verneinten lediglich 15,6% die Verfügbarkeit von entsprechenden Instrumenten und Ressourcen zur Wohnungsversorgung.

Wegen der geringen Fallzahlen bei den übrigen Akteurinnen und Akteuren werden hier nur die Antworten der kreisfreien Städte zu der Frage ausgewertet, um welche speziellen Möglichkeiten es sich handelte. Die Antworten beziehen sich nur auf die diejenigen Städte, die überhaupt über entsprechende Instrumente verfügten.  Jeweils 40,6% dieser kreisfreien Städte gaben an, dass sie über Belegungs-, Besetzungs- oder Benennungsrechte im sozialen Wohnungsbau verfügen und/oder dass es bei ihnen selbst oder einem anderen Träger Probe- oder Trainingswohnungen, einvernehmliche Beschlagnahmen und ähnliche Sonderwohnformen mit Befristung des Aufenthalts gibt, die eine spätere Integration in dauerhaftes Wohnen erleichtern sollen. Etwas mehr als ein Viertel der kreisfreien Städte (28,1%) gewährten Mietausfallgarantien für wohnungslose Haushalte, um die Anmietung von dauerhaftem Wohnraum zu erleichtern. Etwa jede fünfte kreisfreie Stadt (21,9%) konnte über eine Stelle bei der Kommune oder bei einem anderen Träger eine Maklerfunktion ausführen, d.h., die Stelle sichtete und sammelte Wohnungsangebote und vermittelte diese an Wohnungslose weiter. Rund ein Drittel (34,4%) der befragten kreisfreien Städte gab an, dass auf andere Weise Wohnungen beschafft werden. Genannt wurden hier u.a. „gute Kontakte zur Wohnungswirtschaft“, „direkte Absprache mit Vermietern“, „Akquise auf dem Privatvermietermarkt“ sowie „Anmietung von Wohnraum durch Träger der Wohlfahrtspflege und Untervermietung, gekoppelt an Betreuung nach § 67 SGB XII.“

 

4.1.                        Praktizierte Modelle von „Probewohnen“ mit Bleibeperspektive

„Es existieren Modelle von „Trägerwohnungen“, bei denen Wohnungslose eine langfristige Bleibeperspektive erhalten. So werden im Rahmen des Hamburger Vertrages mit der Wohnungswirtschaft jährlich bis zu 150 Wohnungen von freien Trägern mit der Zielsetzung angemietet, diese zunächst an Wohnungslose unterzuvermieten und den Betroffenen wohnbegleitende Hilfen zu leisten und schließlich das Untermietverhältnis bei positivem Verlauf nach etwa einem Jahr in ein Hauptmietverhältnis mit der Eigentümerin bzw. dem Eigentümer der Wohnung zu überführen. Es gibt ein weiteres Modell, bei dem die Wohnungslosen zunächst im Einvernehmen mit der Wohnungseigentümerin bzw. dem –eigentümer ordnungsrechtlich eingewiesen werden (sogenannte einvernehmliche Beschlagnahme) und bei dem ebenfalls ein Hauptmietverhältnis nach einer Zeit des „Wohlverhaltens“ angestrebt wird. Die Überleitung in das Hauptmietverhältnis ist in allen genannten Fällen auch von der Bereitschaft der Wohnungseigentümerin bzw. des Wohnungseigentümers abhängig, ihr zuzustimmen.“

 

4.2.                       Ansätze zur dauerhaften Wohnungsversorgung in Projekten freier Träger

„Ein freier Träger der Wohnungshilfe verwies auf eine weitere Strategie der Beschaffung von dauerhaftem Wohnraum für Wohnungslose. Der Träger hat bereits vor 20 Jahren eine Wohnanlage mit 28 Wohneinheiten gebaut. Sie werden mit regulärem Mietverträgen an Wohnungslose vergeben, die bei Bedarf wohnbegleitende Hilfen des Trägers erhalten. In der Online-Erhebung wurde ein solcher Ansatz nur einmal explizit genannt, nach Kenntnis der Autorinnen und Autoren des Berichts gibt es – außerhalb des Untersuchungssamples – noch einige weitere Beispiele und verschiedentlich auch Planungen freier Träger der Wohlfahrtspflege, im Bereich des Wohnungsbaus für Wohnungslose selbst tätig zu werden. Die Potenziale in dieser Hinsicht scheinen bundesweit aber bei weitem noch nicht ausgeschöpft worden zu sein. Erfahrungsberichte und Evaluationen diverser Bauprojekte für Wohnungslose zeigen, dass es auch bei einer homogenen Belegung von Projekten mit 12, 16 oder 20 Wohneinheiten, die in reguläre Bestände eingebettet und ausschließlich an vormals Wohnungslose vermietet werden, keineswegs zu einer Stigmatisierung kommen muss.“

 

4.3.                       Ausnahmeregelungen bei Richtwerten für die Kosten der Unterkunft

„Eine von mehreren Möglichkeiten, Wohnungslose bei der Wohnungssuche zu unterstützen, sind Ausnahmeregelungen bei den Richtwerten für die Kosten der Unterkunft, mit denen auch höhere Mieten für den Fall anerkannt werden können, dass es damit gelingt, aktuell Wohnungslose wieder in reguläre Mietverhältnisse zu reintegrieren. Insgesamt ist jedoch festzustellen, dass aus der Online-Befragung zwar einige wenige positive Beispiele isoliert werden konnten, die mit ausdrücklichem Bezug auf die Wohnungsnotfallproblematik eine Überschreitung der üblichen KdU-Richtwerte zuließen, dass es sich dabei aber eher um Ausnahmen als eine häufig gewählte Strategie handelte und dass die Überschreitungsmöglichkeiten ansonsten – wenn sie überhaupt zugestanden wurden – überwiegend mit Hinweis auf mögliche Entscheidungen im Einzelfall hinterlegt waren.“

Bei der Stadt Wedel ist es ähnlich. Der Ermessensspielraum wird meist nur auf Antrag der Betroffenen ausgeübt, insbesondere wenn die AWO Sozialberatung die Wohnungslosen unterstützt und berät.

„Damit vervollständigt sich aus den Befunden der Online-Erhebung ein Bild, das nicht nur die massiven strukturellen Probleme bei der Integration von Wohnungslosen in dauerhafte Normalwohnverhältnisse darstellt, sondern auch die eher zaghafte und vereinzelte Nutzung verbleibender Instrumente, um eine gezielte Versorgung von Wohnungslosen mit dauerhaftem Wohnraum, auch unter schwierigen Wohnungsmarktverhältnissen, zu forcieren.

 

  1. Derzeitige Maßnahmen der Stadt Wedel

 

Die Stadt Wedel nutzt insbesondere das Instrument der Belegungsrechte in Form von Benennungsrechten. Derzeit hat die Stadt bei 350 Sozialwohnungen Benennungsrechte. Dieses Instrument hat sich bewährt, da der Vermieter die Wahl hat und soziale Aspekte in die Wahl mit einfließen lassen kann (z.B. ob der zukünftige Mieter gut in die Nachbarschaft passt usw.). Es wurde bislang von Seiten der Vermieter zu 99% aus den ersten drei Vorschlägen der Verwaltung ausgewählt. Die Vorschläge erfolgen von der Fachstelle Wohnen unter Beachtung der städtischen Richtlinie über die Vergabe von Sozialwohnungen. Wohnungslose fallen unter die Dringlichkeitsgruppe 1 und werden unter Abwägung aller Anforderungen und einer positiven Prognose für die Integration in den Wohnungsmarkt, dem zukünftigen Vermieter vorgeschlagen. Besetzungsrechte gibt es keine. Es wird sich kein Investor finden, der der Stadt freiwillig ein Besetzungsrecht einräumt. Zudem ist fraglich, ob das zielführend in Bezug auf die dauerhafte Versorgung mit Wohnraum wäre. Der Vermieter hat einen guten Überblick über die Mieterstruktur und durch die Wahl eines zukünftigen Mieters, kann er dafür sorgen, dass die Hausgemeinschaft gut funktioniert und dadurch auch verhindern, dass die Person wieder obdachlos wird, weil es zu Problemen im Zusammenleben kam. Es wird immer Menschen geben, die ohne Unterstützung nicht in den normalen Wohnungsmarkt integriert werden können. Ein reines Besetzungsrecht nützt bei der dauerhaften Versorgung mit eigenem Wohnraum nichts, wenn nicht auch das „Wohnen“ erprobt und begleitet wird.

 

  1. Mögliches Vorgehen der Stadt Wedel

 

Der Rat der Stadt Wedel hat beschlossen, eine sozialpädagogische Fachkraft zur Betreuung der wohnungslosen Menschen in den städtischen Unterkünften einzustellen. Dieser Beschluss wurde u.a. mit dem Ziel gefasst, Menschen aus den Unterkünften in den normalen Wohnungsmarkt zu vermitteln und zu unterstützen. Der neue Mitarbeitende könnte ein Konzept für die Stadt Wedel erarbeiten in dem u.a. dargestellt werden könnte, welche der o.g. Maßnahmen in Wedel denkbar wären, inklusive der finanziellen Auswirkungen. Nach Beschluss des Rates könnte die Umsetzung mithilfe der Fachstelle Wohnen erfolgen.

Der Sozialausschuss würde in den gesamten Prozess eingebunden sein und erfahren welche Maßnahmen durchsetzbar sind und welche keinen Erfolg versprechen. Die Maßnahmen könnten an die jeweiligen persönlichen Situationen der wohnungslosen Menschen angepasst werden, um individuelle Lösungen zu finden, die langfristig erfolgsversprechend sind. Das Ziel sollte die dauerhafte Versorgung mit Wohnraum sein und dass beinhaltet die Betrachtung aller individuellen Zugangsbarrieren und deren Bearbeitung. Das kann derzeit personell keiner bei der Stadtverwaltung leisten.

 


[1] Forschungsbericht 534, Entstehung, Verlauf und Struktur von Wohnungslosigkeit und Strategien zu ihrer Vermeidung und Behebung – Ergebnisbericht – September 2019

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